KI | Künstliche Intelligenz bei Übersetzung & Co.

KI verändert sich kontinuierlich. Und derzeit extrem schnell. Daher haben die meisten Sprachdienstleistungen unter Verwendung von KI T echnologieaktuell eine relativ kurze Halbwertszeit und können bzw. müssen je nach den gegebenen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich konzipiert werden.

Vor diesem Hintergrund wäre es unzureichend, hier einfach unsere aktuellen KI-Leistungen aufzulisten. Vielmehr möchten wir das Thema „KI und Übersetzungsprozesse“ umfassend darstellen – mit regelmäßig aktualisierten Informationen und konkreten Hinweisen zur optimalen Nutzung von KI. Dazu gehören auch Anwendungsszenarien, wie wir KI in Projekten einsetzen.

Inhalt

Stand 25.06.2025

  1. Der Kontext
  2. KI & Co. – Begriffsdefinition und -abgrenzung
  3. Was sollte vor und beim Einsatz von KI bedacht werden?
    – Qualitätsanforderungen (Risikotoleranz)
    – Prozessanforderungen Datenschutz/IT-Sicherheit
    – Regulatorische Rahmenbedingungen (SW-Validierung)
    – Wirtschaftliche Aspekte & Produktionszeiten
  4. In welchen Bereichen ist der Einsatz möglich bzw. denkbar?
  5. Wo setzt Gemino derzeit KI bereits „serienmäßig“ ein?
  6. Fazit

1. Der Kontext

Seit der Einführung von ChatGPT – dem wohl bekanntesten Large Language Model (LLM) – sind künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Erwartungen allgegenwärtig. Wir bei Gemino befassen uns seither fortlaufend mit der Evaluierung passender Einsatzgebiete und setzen KI bereits gezielt in Projektabläufen ein.

Was wir mit Sicherheit sagen können: So verlockend der Einsatz von KI auch erscheint – es sollte grundsätzlich immer eine sorgfältige Evaluierung und Planung vorausgehen. Nur so lassen sich die erwarteten Vorteile auch realisieren und die Risiken realistisch einschätzen.

2. Begriffsdefinition und Begriffsabgrenzung:
AI/KI, LLMs, (N)MT, GenAI

Mit „AI“ bzw. „GenAI “ (Generative AI) sind heute im Umfeld von textlichem Content fast immer die Large Language Models (LLMs) gemeint. Zu den bekanntesten gehören GPT (OpenAI), Gemini (Google), Claude (Anthropic) und LLaMA (Meta). Daneben gibt es noch die Neuronale Maschinelle Übersetzung (NMT) als wichtigste und aktuell (noch) überwiegend genutzte Technologie. Diese basiert auf Deep Learning und gehört – wie LLMs – zur Kategorie „Künstliche Intelligenz“. Andere Arten maschineller Übersetzungssysteme wie statistische und regelbasierte Systeme spielen heute kaum noch eine Rolle.

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NMT-Systeme basieren auf neuronalen Netzen. Diese werden gezielt für das Übersetzen mit geeigneten Text-Korpora trainiert. LLMs hingegen werden allgemein für das Generieren von Texten entwickelt. Anschließend werden mit diesen Texten dann Texte in einer anderen Sprache generiert. Die unterschiedlichen Herangehensweisen verleihen den „Übersetzungen“ unterschiedliche Eigenschaften. Das bringt wie bei fast jeder Technologie auch bestimmte Vor- und Nachteile mit sich. Darum eignen sich LLMs und NMT unterschiedlich gut für verschiedene Anwendungsfälle .

3. Was sollte vor und beim Einsatz von KI bedacht werden?

Bei der Planung von Übersetzungsprozessen unter Einbindung von KI-Systemen gibt es verschiedene Aspekte, die beachtet werden sollten:

Qualitätsanforderungen (Risikotoleranz)

Welche Anforderungen/Erwartungen beschreiben die Qualität, die erzielt werden soll? Bleiben die Vorgaben gegenüber den bisherigen Festlegungen unverändert? Welche Abstriche sind möglich und/oder akzeptabel? Auch das Thema Risiken ist wesentlicher Teil des Qualitätsbegriffs und sollte immer bedacht werden – besonders in Bereichen, die rechtlichen/regulatorischen Anforderungen entsprechen müssen (z. B. Medizinprodukteverordnung (MDR/IVDR) oder EU-Maschinenverordnung).

Prozessanforderungen

Erlauben die aktuell genutzten Prozesse und Systeme die Einbindung von KI-Systemen? Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Rechtfertigen die erzielbaren Vorteile den Umbau bestehender, etablierter Prozesse und die damit verbundenen Investitionen, die erheblich sein können?

Datenschutz/IT-Sicherheit

Welche Anforderungen an den Datenschutz und die IT-Sicherheit müssen erfüllt werden? Ist eine Nutzung von cloudbasierten Systemen denkbar? Diese sind Systemen für den Einsatz im eigenen Rechenzentrum technologisch und in der Trainingsqualität fast immer überlegen, allerdings muss geprüft werden, ob sie auch den Datenschutzanforderungen und den eigenen IT-Richtlinien entsprechen.

Regulatorische Rahmenbedingungen (z. B. Software-Validierung)

Die regulatorischen bzw. rechtlichen Anforderungen der jeweiligen Branche müssen berücksichtig werden. Zum Beispiel im Bereich Medizinprodukte: Hier fordern MDR bzw. ISO 13485 die Validierung von Software, wenn diese bei der Produktion von Medizinprodukten zum Einsatz kommt oder prozessbedingt Einfluss auf die Produktqualität nimmt. Für eine erfolgreiche Validierung muss aber nachgewiesen werden, dass die Software für einen definierten Input einen definierten Output liefert. Die Software muss das gewünschte Ergebnis also gesichert erzeugen können. Nach unserem Kenntnisstand ist dies im Fall von LLMs derzeit noch nicht möglich (Stichwort „Halluzination“). Das bedeutet aber nicht, dass KI-Systeme nicht möglicherweise auf andere Art sinnvoll in Übersetzungsprozesse in diesem Umfeld eingebunden werden können.

Wirtschaftliche Aspekte & Produktionszeiten

Klar ist: Der Reiz von KI besteht in möglichen Kosteneinsparungen sowie schnelleren Produktionszeiten.
Ob sich die gewünschten Benefits aber unter realen Bedingungen (mit all den zu erwartenden Sonderfällen) auch tatsächlich realisieren lassen, sollte im Vorfeld nach Möglichkeit mittels eines echten Proof of Concept geprüft werden.

Das heißt für die Praxis:

Welche Art von Content ist von der Umstellung eines Übersetzungsprozesses auf KI betroffen? Unterschiedliche Inhaltstypen, d. h. Textsorten, funktionieren unterschiedlich gut mit KI. Zudem kann die Entscheidung der jeweiligen Technologie eine Rolle spielen (LLM vs NMT-System, siehe oben). Darüber hinaus bestehen nicht nur nach System, sondern auch nach Zielsprache deutliche Qualitätsunterschiede. Und es sind nicht alle Zielsprachen in allen Systemen verfügbar.

Sollen viele kleine Übersetzungsprojekte bearbeitet werden und benötigt man pro Sprachkombination und je nach Inhaltstyp unterschiedliche Workflows mit unterschiedlichen Systemen, muss genau hingeschaut werden. Dann kann die Zeit- und Kostenersparnis im Vergleich zum klassischen Übersetzungsprozess gering ausfallen – schlimmstenfalls sogar zu Mehraufwänden führen. In solchen Fällen kann eine traditionelle Workflow-Variante besser geeignet sein als ein weitgehend automatisierter Workflow, bei dem die Qualität vor allem durch die KI-Übersetzung geprägt ist.

4. In welchen Bereichen ist der Einsatz von KI möglich bzw. denkbar?

An erster Stelle wird KI natürlich für maschinelle Übersetzung verwendet. Zusätzlich zu den mittlerweile etablierten NMT-Systemen sind Large Language Models (LLMs) eine interessante und je nach Anwendung und Rahmenbedingungen möglicherweise die bessere Alternative. Zum Beispiel können in gewissen Konfigurationen mit LLMs Referenztexte eingebunden werden (durch Prompt-Augmentierung, RAG etc.). Dadurch berücksichtigt die KI-generierte Übersetzung die gewünschte Referenz und der Output wird an sprachliche Vorgaben wie Stil oder Terminologie angepasst.

KI-unterstütztes Qualitätsmanagement

Ein Einsatzgebiet, das wir aktuell untersuchen, ist die Qualitätskontrolle von Übersetzungen mit Unterstützung von KI. LLMs können bei der Qualitätssicherung durch neuartige Prüfungen unterstützen, die bisher zeit- und budgettechnisch nicht umsetzbar waren. Auch wenn eine vollautomatische Prüfung und Korrektur aktuell noch nicht möglich ist, arbeiten wir derzeit am Aufbau eines Assistenzsystems zur Unterstützung unserer erfahrenen QS-Linguist:innen. Der Einsatz von KI für die teilautomatische Prüfung/Korrektur oder als Warnsystem für bestimmte Fehlerarten sieht nach aktuellem Projektstand sehr vielversprechend aus.

Neue Möglichkeiten durch Agentic AI

Durch die sogenannte „Agentic AI“ eröffnen sich derzeit zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten. Dabei werden verschiedene KI-Systeme in Workflows zu KI-Teams kombiniert. Was ein deutlich größeres Spektrum an Einsatzmöglichkeiten von KI ermöglicht – speziell für mehrstufige KI-basierte Workflows, die mit einem einzelnen System so nicht umsetzbar wären. Ein Beispiel: Nach der initialen Übersetzung durch ein LLM durchläuft der Text ein zweites LLM-System. In diesem nachgeschalteten Schritt wird gezielt nur die Terminologie auf Vorgaben und Festlegungen überprüft.

5. Wo setzt Gemino bereits serienmäßig KI ein?

Neben verschiedenen neuen Anwendungsfällen, für die wir den Einsatz von KI aktuell noch testen und spezielle Lösungen entwickeln, setzen wir künstliche Intelligenz auch standardmäßig produktiv ein. Wichtig dabei: Wir nutzen die Technologien stets unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte ausschließlich in Abstimmung mit unseren Auftraggeber:innen.

I. Produktive Nutzung im Bereich Übersetzungsprozesse

Derzeit bieten wir mehrere Übersetzungsworkflows mit KI an. Die Entscheidung, welcher Workflow optimal geeignet ist und welche maschinelle Übersetzungstechnologie dabei zum Einsatz kommt, treffen wir gemeinsam mit unseren Auftraggeber:innen. Bei der Bewertung werden alle maßgeblichen externen (technischen) Rahmenbedingungen genauso berücksichtigt wie die Eignung der jeweiligen Übersetzungstechnologie für den konkreten Inhaltstyp.

Für einen schnellen Überblick finden Sie nachstehend eine Tabelle aller Workflows mit Informationen zu den enthaltenen Leistungen, den möglichen Einsparungen sowie den jeweiligen Konformitäts- und Qualitätsaspekten:


* Kritisch im Bereich der ISO 13485: Thema „Software-Validierung“ und Thema „Vorversionskonsistenz bei Updates“. Konformität ggf. mithilfe von Spezial-Workflows dennoch erreichbar. Einzelfallberatung erforderlich.
** Spezial-Workflows zum Einbeziehen von TM-Inhalten verfügbar.

Bitte beachten:
Es sind nicht alle Workflows für alle Inhaltsarten geeignet bzw. anwendbar. Gemino überprüft bei der Projektanalyse die Eignung der Inhalte im Hinblick auf die verschiedenen Workflows. So sind Durchführbarkeit und Erreichung eines gesicherten Ergebnisses entsprechend Verwendungszweck und Qualitätsanforderungen stets gewährleistet.

Als sinnvolles Update des klassischen Übersetzungsprozesses eignen sich insbesondere die beiden Workflows „AI-assisted Translation“ und „Verified AI Translation“:

AI-assisted Translation

  • Workflow mit denselben Workflow-Schritten wie im „traditionellen“ Prozess: Übersetzung > Revision > Qualitätssicherung.
  • Übersetzer:innen erhalten beim Übersetzungsschritt neben Treffern aus der Übersetzungsdatenbank (TM) auch unterstützend Vorschläge von einer MT Engine (NMT, LLM-basiert).
  • Vorteil: Die Nutzung bestehender TMs ist unkompliziert möglich.
  • Der Workflow ist vollständig konform mit den Anforderungen der ISO 17100.

Verified AI Translation

  • Workflow mit den Workflow-Schritten:
    Maschinelle Übersetzung > Verifizierung > Qualitätssicherung.
  • Der Übersetzungsschritt erfolgt in diesem Workflow komplett maschinell über eine MT Engine (NMT, LLM-basiert).
  • Es erfolgt anschließend eine Überprüfung (Verifizierung) der maschinellen Übersetzung durch eine/n Übersetzer:in (vergleichbar mit einer Revision gemäß ISO 17100) und eine abschließende Qualitätssicherung.
  • Dieser Workflow beinhaltet kein Vier-Augen-Prinzip und ist daher nicht konform mit der ISO 17100.

II. Produktive Nutzung im Bereich Video-Lokalisierung

Seit geraumer Zeit setzen wir KI-Technologie auch für die optimierte Lokalisierung von Videos ein. Einerseits bei der Transkription von Audio-Inhalten als Grundlage für eine Übersetzung, andererseits für die Erstellung von Untertiteln oder Sprecherskripten . Zunehmend kommt auch Sprachsynthese als Alternative zu (äußerst kostspieligen) menschlichen Sprecheraufnahmen zum Einsatz.

6. Fazit

KI bietet viele neue Möglichkeiten im Bereich Übersetzung und Mehrsprachigkeit – und das fast jeden Tag aufs Neue. Wir bei Gemino folgen diesen Entwicklungen und suchen sie mitzugestalten. Unser Ziel ist es, zu jedem Zeitpunkt ein realistisches Bild aus den Chancen und Risiken vorliegen zu haben, um jederzeit sinnstiftend neue Technologien in unsere Prozesse – und die unserer Kund:innen –integrieren zu können.

Was sicher ist: Es gibt keine festen oder „generell besten“ Lösungen. Jeder Einsatz von KI ist individuell und sollte agil gestaltet werden, um deren Nutzung nach Bedarf anpassen oder erweitern zu können. Auch um neue Technologien jederzeit unkompliziert zu integrieren.

Bei der Planung und Umsetzung von neuen Mehrsprachigkeitsprozessen mit KI ist die Beteiligung mehrerer Fachdisziplinen im Unternehmen erforderlich – insbesondere mit linguistischer und übersetzungslogistischer Perspektive.

Mit unserer Erfahrung zu Tools und Prozessen im Bereich Mehrsprachigkeit und unserem Know-how zu KI, LLMs, GenAI & Co. begleiten wir Sie gerne auf Ihrem Weg zu neuen, besseren und individuellen Lösungen.

Und dabei folgen wir dem Leitsatz: Noch funktioniert künstliche Intelligenz am besten durch gezielte Zugabe von menschlicher Intelligenz!