Länder-Review: Das Prüfen von Übersetzungen in den Niederlassungen eines Unternehmens
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein international aufgestelltes Unternehmen steuert seine Übersetzungen zentral. Das heißt, seine ausländischen Niederlassungen erhalten das übersetzte Material vom Hauptsitz des Unternehmens. In diesen Niederlassungen sichten lokale Marketing- oder Produktmanager die übersetzten Texte, Broschüren oder die lokalisierte Website und geben Rückmeldung, falls Anpassungsbedarf besteht.
Die Idee dahinter: Das Unternehmen kann so die Qualität der mehrsprachigen Inhalte steuern, ohne auf wertvollen Vor-Ort-Input zu verzichten, der die kulturellen und sprachlichen Besonderheiten des jeweiligen Landes berücksichtigt. Eigentlich eine gute Sache, sollte man meinen. Aber dieser Prozess ist auch mit Schwierigkeiten verbunden.
Die Herausforderungen
Die Kollegen, die in den Niederlassungen mit dem Prüfen der Übersetzungen betraut sind, sind meist keine Übersetzer oder Linguisten. Ihre Kernaufgaben liegen in anderen Bereichen. Und das kann weitreichende Folgen haben:
- Oft können die Kollegen in den Niederlassungen den Ausgangstext nicht lesen, weil sie die jeweilige Sprache nicht sprechen oder der Ausgangstext nicht vorliegt.
- Die unternehmensspezifischen multilingualen Übersetzungsprozesse und die Tools mit den entsprechenden Schnittstellen (Translation Memory, CMS, Terminologiedatenbank) sind ihnen nicht vertraut.
- Sie nehmen geschmackliche oder andere Änderungen vor, die nicht mit dem Ausgangstext korrespondieren. Oder solche, die gegen terminologische Festlegungen verstoßen.
- Sie halten sich nicht an Richtlinien, die im Corporate Language Guide festgelegt sind, um auch in unterschiedlichen Zielmärkten konsistente Markenkommunikation sicherzustellen.
Das Feedback aus den Niederlassungen trifft darüber hinaus häufig verspätet und unkoordiniert ein, beispielsweise in Form von unleserlichen handschriftlichen Kommentaren. Oder Verbesserungsvorschläge werden telefonisch durchgegeben.
Bei 20 oder mehr Auslandsniederlassungen führt das zu einem erheblichen Aufwand in der zentralen Übersetzungsabteilung. Und gelegentlich sogar zu Frustration und der Erkenntnis, dass der Prozess so nicht funktioniert und der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
Es stellt sich also die Frage, wie man es besser machen könnte.
Worauf man bei der Planung und Durchführung achten sollte
Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass man nicht die gleichen Erwartungen an die Prüfer in den Niederlassungen wie an die Sprachprofis haben darf. Trotzdem ist der Input der Niederlassungs-Prüfer sehr wertvoll, denn sie sind nah am Markt und kennen ihr Produkt besonders gut.
Um zu verhindern, dass die Beteiligten demotiviert werden, gibt es nun verschiedene Möglichkeiten, den Ablauf koordinierter zu gestalten. Wir haben hier einige Aspekte für Sie zusammengestellt.
Legen Sie Abläufe und Zuständigkeiten fest:
Die Niederlassungen sollten für ihren Länder-Review ein realistisches Zeitfenster bekommen und einen konkreten Ansprechpartner haben. Der Austausch der Texte sollte klar definiert erfolgen (per E-Mail, FTP-Server etc.). Nach Ablauf des Zeitfensters sollte die Übersetzung als freigegeben gelten, damit zeitaufwändiges Nachhaken bei den zuständigen Personen der einzelnen Niederlassungen entfällt. Idealerweise kann dort jeweils genau ein Prüfer festgelegt werden, der als Ansprechpartner zuständig ist – selbst wenn mehrere Personen involviert sind. Im besten Fall ist das jemand, der die Ausgangssprache beherrscht und ein gewisses Maß an Sprachgefühl mitbringt. Auch ein direkter Kontakt zwischen Prüfer und Übersetzer fördert das Verständnis auf beiden Seiten und wird von den meisten Übersetzungspartnern gerne hergestellt.
Bereiten Sie die Übersetzungen bestmöglich für die Niederlassungen auf:
Nutzen Sie Dateiformate, die mit allgemein zugänglichen Programmen geöffnet und bearbeitet werden können (z. B. Word, PDF) und in denen sich die Übersetzungen im Layout darstellen lassen. Denn nicht nur der Text, sondern auch das Layout inklusive Bildern kann den Gesamteindruck wiedergeben.
Leisten Sie Hilfestellung:
Erläutern Sie den Kollegen in den Niederlassungen, wie Sie sich die Anpassungen vorstellen und welche Anpassungen nicht gemacht werden soll(t)en. Hier kann ein „Review Guide“ gute Dienste leisten. Ein Beispiel für einen Review Guide finden Sie hier. In diesem Dokument werden die Niederlassungs-Prüfer „abgeholt“. Ihnen wird der Hintergrund der vorliegenden Übersetzung erläutert und es wird umrissen, worauf beim Lesen geachtet werden sollte. Im Review Guide wird auch dargelegt, warum geschmackliche Änderungen oder solche, die mit Ausgangstext oder der festgelegten Terminologie nicht korrespondieren, wenig sinnvoll sind. Weitere Hilfestellung können Sie durch eine konkrete Anleitung geben, in welcher Form Sie sich die Anpassungen wünschen. So könnten Sie beispielsweise in einem kleinen Webinar demonstrieren, wie Ihre Prüfer die Kommentierfunktionen im PDF-Format nutzen sollten.
Beachten Sie bitte: Manche Dinge, die Sie als selbstverständlich erachten, weil Sie täglich damit zu tun haben, sind für die Kollegen in anderen Ländern und Kulturen vielleicht nicht so eindeutig. Diese sollten identifiziert und erwähnt werden.
Seien Sie hartnäckig:
Geben Sie nicht auf, wenn Sie trotz eines klar kommunizierten Zeitplans und bestmöglich aufbereiteten Übersetzungen oder Review-Richtlinien viel zu spät Antwort aus den Niederlassungen erhalten. Investieren Sie Zeit in Ihr Feedback. Zeigen Sie auf, wie optimiertes Vorgehen den Sekundäraufwand verringert und welche Vorteile das dann auch für die Niederlassungen hat. Denn diese profitieren, indem sie über die benötigten Broschüren in der Landessprache oder die lokalisierte Website verfügen, und das nicht nur zum vereinbarten Zeitpunkt, sondern auch gemäß ihren Vorstellungen.
Damit sieht das Feedback aus den Niederlassungen beim nächsten Mal vielleicht schon besser aus.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!