Translation Memory-System auswählen: So gelingt es

Falls Sie aktuell oder in absehbarer Zeit ein Translation Memory-System (TMS) für Ihr Unternehmen auswählen: Setzen sie auf Geduld und Genauigkeit. Es lohnt sich.

Die Herausforderung

Das perfekte TM-System für Unternehmen gibt es nicht und kann es unserer Einschätzung nach auch nicht geben. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen der beteiligten Stakeholder, zu individuell die Rahmenbedingungen und die strategischen Ziele in den Unternehmen.

Was es sehr wohl geben kann: ein bestmögliches TMS. Eines, dass Ihnen den größtmöglichen Nutzen bei geringstmöglichen Einschränkungen und Risiken bietet. Um das bei der Entscheidungsfindung einschätzen zu können ist ein durchdachter, strukturierter Auswahlprozess nötig. Dass dieser Prozess häufig nicht optimal geplant und durchgeführt werden kann, erleben wir immer wieder. Es fehlen einfach Erfahrungswerte, nach denen Unternehmen sich bei der Wahl ihres TMS richten können.

Planung ist alles

Aus Erfahrung wissen wir: Viele TM-Systeme unserer Auftraggeber sind oft nicht – oder nur teilweise – geeignet, um das abzubilden, was nötig ist. Die gewünschte Effektivität in Bezug auf Qualität, Effizienz und Kosteneinsparungen wird nur begrenzt erreicht.

Die häufigsten Ursachen:

  1. Relevante Anforderungskategorien und Stakeholder werden nicht berücksichtigt.
  2. Keine ausreichend tiefe Spezifizierung des Anforderungskatalogs und keine adäquate Gewichtung der Anforderungen
  3. Keine konsequent faktenbasierte Auswertung – die Auswahl der Entscheidungskriterien bildet nicht den Bedarf ab.

Es geht also um Fehlervermeidung durch Präzision, Prioritäten und die richtigen Personen im Entscheidungsprozess – von Anfang an.

Lösungsansätze: Die drei „P“s

  1. Personen: Relevante Anforderungskategorien und Stakeholder einbinden

Wer sich beim Betrachten der Situation ausschließlich auf funktionale Aspekte beschränkt, kann auch nur bewerten, ob ein TMS funktional geeignet ist. Das Problem: Alle Aspekte, Chancen und Möglichkeiten, die ein TMS darüber hinaus bieten kann, werden ausgeklammert. Es müssen also alle relevanten Stakeholder am Entscheidungsprozess beteiligt sein. Sonst führt der Auswahlprozess zu einer unvollständigen Betrachtung. Eine optimale Entscheidung ist dann kaum möglich.

Empfehlung:

  • Anforderungen aus allen maßgeblichen Kategorien berücksichtigen
    Ermitteln und berücksichtigen Sie alle Anforderungskategorien, die im Kontext Ihres Unternehmens einen Einfluss auf die optimale Wirksamkeit des auszuwählenden TM-Systems haben. Das können – neben rein funktionalen Aspekten für die konkreten Workflows der Übersetzungsprojekte – auch Anforderungen aus den Bereichen Systemarchitektur, Lieferkette (Verbreitung und Akzeptanz), Datenschutz, Lizenzmodelle, Supportangebote sowie die generelle Beurteilung des TMS-Herstellerunternehmens sein.
  • Alle relevanten Stakeholder einbinden – von Anfang bis Ende der Entscheidungsfindung
    Binden Sie alle Stakeholder bzw. Vertreter der Stakeholder-Gruppen, die eine umfassende und fundierte Bewertung der verschiedenen Anforderungskategorien leisten können, in die Entscheidung ein. Denn eine sinnstiftende Bewertung ist erst mit der vollständigen Berücksichtigung aller erforderlichen Kategorien möglich.
  1. Prioritäten: Anforderungen ausreichend detailliert spezifizieren und adäquat gewichten

Der Anforderungskatalog sollte detailliert genug hinterfragt und spezifiziert werden. Geschieht das nicht, fällt der Vergleich der verschiedenen infrage kommenden Systeme nur oberflächlich aus. Idealerweise sind alle wesentlichen Use Cases in den Übersetzungs-Workflow vorher bekannt: Damit sind alle Anwendungsfälle gemeint, die vom TMS unterstützt werden müssen, um Ihre geschäftsstrategischen Ziele im Bereich Mehrsprachigkeit zu erreichen. Sonst können diese später nicht ausreichend umgesetzt werden oder verfehlen ihre Wirkung. Im schlimmsten Fall kann das TMS sie gar nicht berücksichtigen.

Empfehlung:

  • Use Cases und Anforderungen ausreichend detailliert beschreiben
    Investieren Sie Zeit. Beauftragen Sie interne (ggf. auch externe) Kompetenz für die Erstellung eines vollständigen Anforderungskatalogs. Definieren Sie zuvor alle aktuell sowie zukünftig relevanten Use Cases als Grundlage, um die Anforderungen zu definieren. Binden Sie relevante Stakeholder bereits beim Festlegen der Use Cases und beim Erstellen des Anforderungskatalogs ein. Nicht erst bei der späteren Bewertung, ob die infrage kommenden Systeme die Anforderungen erfüllen.
  • Setzen Sie Prioritäten
    Gewichten Sie die Anforderungen entsprechend der Bedeutung der zugrundliegenden Use Cases und Ihrer strategischen Ziele. Eine bewusste, definierte Gewichtung der einzelnen Anforderungen ermöglicht eine deutlich zielorientiertere Auswertung: Sie erkennen schneller und besser, welche TM-Systeme am Markt Ihre Anforderungen erfüllen. Sie präzisieren Ihre Scores und erzielen einen höheren Grad an Objektivität. Sowohl bei der Auswahl möglicher Produkte sowie bei der finalen Entscheidung.
  1. Präzision: Konsequente, faktengenaue Auswertung und Entscheidung

Selbst wenn bei Ihnen im Unternehmen eine Arbeitsgruppe gebildet und ein detaillierter Anforderungskatalog erstellt wird: Die Bewertung sollte durch Prozessbeteiligte geschehen, die ausreichend qualifiziert sind und die Tiefe der Entscheidung durchdringen. Häufig erfolgt der weitere Verlauf des Auswahlprozesses durch Self-Assessment der Tool-Hersteller – und damit auch die Bewertung. In der Folge fehlt den unternehmensinternen Einschätzungen eine objektivierbare Grundlage. Schlimmstenfalls wird aus dem Bauch heraus entschieden oder es entscheidet der Eindruck, den das Sales-Team des Herstellers hinterlassen hat.

Empfehlung:

  • Fakten und Zahlen anstelle Bauchgefühl
    Erstellen Sie einen vollständigen, detaillierten Katalog mit gewichteten Anforderungen gemäß Ihrer individuellen Use Cases und binden Sie alle relevanten Personen mit dem entsprechend benötigten Kompetenzprofil ein. Und das von der Erstellung des Anforderungskatalogs bis zur späteren Bewertung des Erfüllungsgrades. Arbeiten Sie bei der Bewertung mit klar definierten Scores und Benchmark-Werten. Wenn nicht alle erforderlichen Aspekte im internen Team fachkompetent vertreten sind, holen Sie sich für das Auswahlprojekt externe Unterstützung ins Boot. Ideal sind hier Partner mit mehrjähriger aktiver Projekterfahrung im Bereich komplexer TMS-basierter Übersetzungsprozesse.

Die optimale Wahl Ihres TMS hat nicht nur mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Übersetzungsprozesse. Sie profitieren von finanziellen Effekten, die weit über die Investitions- oder Miet- und Wartungskosten der Software hinausgehen. Wenn Sie als Unternehmen also ein TMS benötigen und anschaffen möchten, steht und fällt die „richtige“ Entscheidung mit den oben beschriebenen Qualitäten der Planung.

Gewiss: Ein sorgfältig durchgeführter Auswahlprozess kann aufwändig sein und erfordert Durchhaltevermögen von allen Beteiligten. Aber es lohnt sich. Wiederstehen Sie Ihrem Bauchgefühl, auch wenn die Versuchung groß ist. Es gibt keine Abkürzung bei der Entscheidung für das richtige TMS. Ihre Sorgfalt wird sich mehrfach über die gesamte Nutzungsdauer hinweg auszahlen.