Jetzt wird abgerechnet: Vergütungsmodelle von Übersetzungen im Überblick
Wort, Zeile, Seite oder doch per Stunde? Die Vielfalt der Abrechnungsmöglichkeiten von Übersetzungen macht es Einkäufern nicht immer einfach, Übersetzungskosten zu kalkulieren. Dieser Beitrag soll ein wenig Ordnung schaffen und aus der Perspektive der alltäglichen Praxis die Vor- und Nachteile bei der Abrechnung von Übersetzungen beschreiben.
Welche Faktoren gibt es?
Folgende Vergütungen für Übersetzungen sind generell möglich:
- Preis pro Wort der Ausgangs- oder Zielsprache,
- Preis pro Zeile der Ausgangs- oder Zielsprache,
- Preis pro Seite der Ausgangs- oder Zielsprache,
- Preis pro Stunde.
Darüber hinaus können die Preise je nach Textsorte und Fachgebiet des zu übersetzenden Textes unterschiedlich sein. Auch die Sprachkombinationen selbst variieren im Preis. Am beliebtesten sind diejenigen Modelle, die sich im Vorfeld eines Projektes am einfachsten darstellen lassen. Und da liegen Vergütungen nach Wort der Ausgangssprache eindeutig vorne.
Immer gut: Abrechnung auf Ausgangssprachbasis
Grundsätzlich ist es sinnvoll, eine Abrechnung auf Ausgangssprachbasis zu vereinbaren. Die Alternative – auf Basis von übersetzten Wörtern, Zeilen oder Seiten abzurechnen – hat den entscheidenden Nachteil, dass vorab kein Angebot erstellt werden kann, da Angaben über deren Menge erst nach getaner Arbeit möglich sind. In der Tat gibt es bei einigen Sprachkombinationen einen großen Unterschied zwischen der Anzahl der Ausgangs- und Zielwörter. Denn in der einen Sprache enthalten nur ein oder zwei Wörter die gewünschten Informationen, die in der anderen vier oder mehr enthalten. Sind der Umfang der Ausgangssprache sowie die Zielsprache bekannt, lässt sich das einpreisen. Schließlich gibt es Erfahrungswerte, wie viele Wörter ein Übersetzer pro Stunde normalerweise von einer bestimmten Sprache in eine andere übertragen kann. Weshalb die Abrechnung auf Ausgangssprachbasis auch die gängigste ist.
Auch Wortpreise haben viele Vorteile
Im Gegensatz zur Zeile oder Seite ist das Wort die Einheit, nach der Translation Memory-Systeme (TMS) arbeiten. Ein TMS unterstützt die Übersetzer bei ihrer Tätigkeit, indem Übersetzungen auf Segmentbasis (z. B. Satzbasis) abgespeichert werden und bei ähnlichen oder identischen Textstellen wieder aufgerufen werden können. TMS analysieren den zu übersetzenden Text vorab, indem dieser gegen die bereits im System vorhandenen Übersetzungen abgeglichen wird und wiederverwendbare Textstellen auf Wortbasis gezählt werden. Anhand dieser Analyse schätzt der Übersetzer den Aufwand für die Übersetzung des Textes ab. Enthält der Text zum Beispiel Wiederholungen, die aus dem TMS übernommen werden können, ist der Zeitaufwand geringer als wenn jeder Satz individuell neu übersetzt werden muss.
Translation Memory-Systeme sind heute Stand der Technik. Die meisten Übersetzer arbeiten damit und der Schritt zu einer Angebotserstellung bzw. Abrechnung auf Wortbasis ergibt sich so von alleine. Für ein zeilen- oder seitenbasiertes Äquivalent müsste man umständlich per Formel die auf Knopfdruck erstellten wortbasierten Informationen des Translation Memory-Systems umrechnen. Ähnliches gilt für eine Angebotserstellung auf Stundenbasis. Auch hier muss die wortbasierte Analyse in einen Aufwand nach Stunden umgerechnet werden.
Warum Dänisch mehr kostet als Russisch
Eine weitere Komponente ist die Zielsprache: Da viele Sprachdienstleister Übersetzer einsetzen, die auch in den Ländern leben, in denen ihre Zielsprache gesprochen wird, haben wir es mit unterschiedlichen Lebenshaltungskosten zu tun. Ein russischer Fachübersetzer wird durchschnittlich weniger für seine Arbeit in Rechnung stellen als ein dänischer oder japanischer Fachübersetzer, da die Lebenshaltungskosten im Land niedriger sind. Zudem werden bestimmte Sprachen mehr und andere weniger nachgefragt, entsprechend der Größe des Produktabsatzmarktes. Somit gibt es einen großen oder kleineren Übersetzungsbedarf rund um diese Produkte. All dies führt dazu, dass die Vergütungen der Fachübersetzer je nach Sprachkombination variieren.
Unterscheidung nach Fachgebiet und Textsorte
Sprachübergreifend lässt sich feststellen, dass nicht nur die reine Anzahl der Wörter und der Anteil an Wiederverwendbarkeit durch Translation Memory-Systeme einen Einfluss auf den Übersetzungsaufwand hat, sondern auch der Inhalt. Und das auf zweierlei Art und Weise:
Unter „Fachgebiet“ sind Inhalte von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zu verstehen. Texte für bestimmte Branchen, die besonders reguliert sind (z. B. im pharmazeutisch-medizinischen Bereich), erfordern einen Mehraufwand und zum Teil sehr spezialisierte Fachkenntnisse bei der Übersetzung. Dies schlägt sich im Preis nieder.
„Textsorten“ sind z. B. Texte für Marketingbroschüren, die Benutzeroberfläche von Software-Anwendungen oder Benutzerhandbücher. Diese Textsorten können prinzipiell in unterschiedlichen Branchen (also Fachgebieten) vorkommen und erfordern ebenfalls einen unterschiedlichen Zeitaufwand bei der Übersetzung. Für einen kreativen Marketingtext, in dem mit Worten gespielt wird, benötigt der Übersetzer verhältnismäßig mehr Zeit als für eine klar und verständlich verfasste Bedienungsanleitung.
Unser Fazit
Theoretisch könnte man im Rahmen einer Mischkalkulation für alle Sprachkombinationen, Fachgebiete und Textsorten ein und denselben Wortpreis ansetzen. Praktikabel ist das nicht. In der Praxis zeichnen die sprachspezifischen Unterschiede in der Vergütung der Übersetzer und die unterschiedlichen Zeitaufwände für verschiedene Textsorten und Fachgebiete ein anderes Bild. Hier ist die Weitergabe der realen Aufwände am sinnvollsten. Sie sorgt für Transparenz und dient der Optimierung der Angebote (und Kosten) für den Auftraggeber.